Erleben Sie unsere denkmalwerten Kirchen in Wort, Bild und Ton

Das Buch "Stein Licht Klang" gibt einen facettenreichen Einblick

"Stein Licht Klang": Das Buch illustriert das Anliegen unserer Stiftung und lädt zum Musikgenuss ein. Die beigefügte CD wurde in den Kirchen von Lengerich, Laggenbeck und Mettingen eingespielt.

„Stein Licht Klang“ heißt das Buch, das die denkmalwerten Kirchen im Evangelischen Kirchkreis Tecklenburg ausführlich in Wort und Bild vorstellt. Unsere Stiftung hat den Band 2014 in der Reihe „Sound- and Landscapes“ des münsterischen Verlages MUSICOM herausgegeben. Profifotograf Johannes Kalsow hat dafür alle Kirchen in beeindruckenden Totalen, aber auch aus vielen detailverliebten Blickwinkeln heraus abgelichtet. Jedes der vierseitigen Kapitel hat die Kunsthistorikerin Dr. Gabriele Böhm mit einem knapp gehaltenen, aber informativen Blick in die lokale Kirchengeschichte ausgestattet.

Doch damit nicht genug, wie der Name der Buchreihe verrät: Die beigefügte CD (73 Minuten Spieldauer) wurde in der Stadtkirche Lengerich, der Johanneskirche Laggenbeck und der Mettinger Kirche aufgenommen und präsentiert unter anderem Werke von Johann Sebastian Bach, Johannes Brahms, Antonio Vivaldi und Felix Mendelssohn Bartholdy. Ulrike Lausberg, musikalische Organisatorin des Bandes, schreibt im Abspann: „Durch die Musik wird den Steinen der denkmalwerten Kirchen im Tecklenburger Land Leben eingehaucht. Sie bietet den Betrachtern der Bilder in diesem Buch die Möglichkeit, die kirchlichen Räume ganz individuell auf sich wirken zu lassen.“

„Stein Licht Klang“ ist beim Kirchenkreis Tecklenburg (Sonnenwinkel 1, Telefon 0 54 82 68-381) für 19,80 Euro erhältlich.

 

Unsere Stiftungsabende - Information, Austausch, Gemeinschaft

Kirchen offenhalten und fröhliche Christen bleiben- Stiftungsabend am 28. September 2022

Altbischof Axel Noack (2.v.l.) referierte beim Stiftungsabend in der Stiftskirche Leeden. Foto: Christine Fernkorn

„Nicht das objektive Kleinerwerden unserer Kirche ist das eigentliche Problem, sondern die damit allzu oft verbundene innere Haltung der Resignation“, betonte Altbischof Axel Noack in seinem Festvortrag zum 20-jährigen Jubiläum der Stiftung für denkmalwerte Kirchen im Kirchenkreis Tecklenburg. Dem Referenten ist es in den Jahren nach der Wende in der ehemaligen Kirchenprovinz Sachsen (heute Ev. Kirche in Mitteldeutschland) gelungen, fast sämtliche Kirchen zu renovieren. Im praktischen Gemeindealltag gehe es um die Frage, wie wir trotz der krisenhaften Situation, in der wir heute leben, fröhliche Christen bleiben können und wie unsere Verkündigung fröhlich bleibe, betonte Axel Noack. „Wir sind nur auf Mitglieder und Mitgliederzahlen fixiert“, warnte er und plädierte für einen Perspektivwechsel: “Wir sehen oft nicht diejenigen, die sich beteiligen, ohne „Mitglied“ zu sein, beispielsweise in Trägervereinen oder in Chören“, so der Theologe.

Superintendent André Ost freute sich als Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung, den Gast aus Halle/Saale in der gut besuchten Stiftskirche in Tecklenburg-Leeden zu begrüßen. Die vor 20 Jahren gegründete „Stiftung für denkmalwerte Kirchen im Ev. Kirchenkreis Tecklenburg“ habe es sich zur Aufgabe gemacht, die denkmalwerten Kirchgebäude zu erhalten „Das ist vor dem Hintergrund von Mitgliederverlust und schwindender Finanzkraft nicht einfach“, sagte er und fragte: „Wie können wir einen Weg finden, dies heute zu leisten?“

„Unsere 21 denkmalwerten Kirchen im Kirchenkreis sind bis zu 900 Jahre alt“, informierte Hans Werner Schneider, Stiftungsvorsitzender und Superintendent i.R. Diese Kirchen zu erhalten, sei kein Selbstzweck. Es gehe um die Bedeutung dieser Kirchen für die Menschen. Die Kirchen würden mit der Zeit sanierungsbedürftig bezüglich der Fundamente, der Dächer und auch der Kirchtürme. Die Kosten für diese Arbeiten seien hoch. Dies sei eine Herausforderung für die Gemeinden und die Gesellschaft.

Am Beispiel der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) berichtete Axel Noack, dass es 1972 einen Masterplan der Kirchenleitung zur Einteilung der Kirchen in drei Kategorien gegeben habe. Die Frage, welche Kirchen aufgegeben werden sollten, habe im Raum gestanden. 400 Kirchen standen zu Disposition. „Dies hat glücklicherweise verhindert werden können“, so Axel Noack. Ihm sei schon damals klar geworden: Auf die Menschen „vor Ort“ kommt es an. Gesellschaftliche Aufgaben ergriffen viele Menschen lieber in ihrer räumlichen Nähe. Besonders wichtig sei: „Es braucht einige wenige, die den Erhalt ihrer Kirche zu ihrer Aufgabe machen. Eine weitere Beobachtung habe er gemacht: Oft säßen in den kirchlichen Gremien die „Bedenkenträger“ und die „Heiden“ der Gesellschaft können nicht verstehen, warum sich alles so lange hinziehe. „Die Gemeinden müssen das Projekt selbst in die Hand nehmen,“ so sein Motto. „Hoffentlich vergessen Sie das nicht so schnell in einer sich immer stärker zentralisierenden Kirche“, sagte er. Die Kirchenleitung und der Kirchenkreis vor Ort müssten genau dort helfen, wo jemand ins Elend zu rutschen drohe. „Aber sie dürfen auf keinen Fall zu viel helfen, dass die Leute träge werden“, so sein Appell. „Wir werden unsere Kirchengebäude nur so lange erhalten können, solange es Menschen gibt, die sagen: „Das ist meine Kirche!“, ist er sich sicher.

Im Blick auf die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland zeigte der Altbischof auf, mit welchen vier Merkmalen diese sich von den anderen Landeskirchen der EKD unterscheide: hier gebe es die meisten Lutherstätten und die EKM sei „steinreich“. „Sie hat die meisten Kirchen-gebäude der EKD“, stellte der Theologe fest. Es seien 4000 Kirchen, davon seien 2500 älter als 500 Jahre. Das vierte Merkmal: Aus der EKM komme die „richtige evangelische Kirchenmusik“. Komponisten wie Paul Gerhardt, Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach und auch Georg Friedrich Händel sind hier geboren und haben hier gewirkt. Und: In der EKM gebe es in manchen Gegenden vermutlich die wenigsten Kirchenmitglieder in der Wohn-bevölkerung, so der Referent. „Dies ist eine aparte Mischung und Herausforderung“, betonte er.  Der Reformator Martin Luther habe schon 1539 gesagt: „Wir sind es doch nicht, die da könnten die Kirche erhalten, unsere Vorfahren sind es auch nicht gewesen, unser Nachkommen werden es auch nicht sein, sondern der ist´s gewesen, ist´s noch und wird es sein, der da spricht: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende, Jesus Christus“. In diesem Zusammenhang sprach er sich dafür aus, als Kirche nahe bei den Menschen zu sein und zweckfrei Anteil an ihrem Leben zu nehmen.

Die Besucher dankten dem Referenten für seinen lebendigen Vortrag mit langanhaltendem Applaus. Mit festlicher Bläsermusik setzte das kreiskirchliche Bläserensemble unter der Leitung von Ursula-Maria Busch geistliche Akzente während der Veranstaltung.

Bei herbstlicher Kürbissuppe und dem Austausch über die Impulse des Festvortrags klang der Stiftungsabend im Stiftshof Leeden aus.

 

Rohlfing-Orgel in Kattenvenne ist ein „verkanntes Juwel“ - Stiftungsabend am 29. September 2021

Das Bild zeigt Vertreter*innen des Vorstands und des Kuratoriums der Stiftung sowie Mitwirkende des Stiftungsabends: In der ersten Reihe: 2.vl.: Kantor i.R. Christoph Henzelmann, 3.v.l. Superintendent André Ost, 5.v.l. Marlies Beckemeyer, daneben Verena Westermann und Christel Rotsch. Zweite Reihe: 2.v.l.: Herbert Brügge, 5.v.l.: Jörg Birgoleit. Foto: Christine Fernkorn

Kattenvenne. „Diese Orgel ist ein Schatz und einzigartiges Instrument“, unterstrich der Orgel-wissenschaftler Herbert Brügge beim Stiftungsabend am 30. September in der Ev. Kirche in Kattenvenne. „Hüten und pflegen Sie es wie einen Augapfel!“ appellierte er an den Kirchenkreis Tecklenburg und die Kirchengemeinde. Jedes Jahr lädt das Kuratorium der Stiftung für denkmalwerte Kirchen im Kirchenkreis Tecklenburg in eine der 21 historischen Kirchen ein. Interessierte Gäste erfahren so Wissenswertes rund um diese geschichtsträchtigen Kirchbauten. Auf plattdeutsch und in historischer Kleidung informierten Pfarrerin Verena Westermann und Kirchenführerin Christel Rotsch kurzweilig über die Geschichte der Gemeinde. Klar wurde, die Menschen in Kattenvenne mussten vor dem Bau der Kirche Sonntagmorgens den weiten Weg zur Lienener Kirche nehmen. Sie wünschten sich eine eigene Kirche im Dorf Kattenvenne. Hochzeiten, Beerdigungen, alles fand in Lienen statt, bis 1887/88 endlich die neue Kirche in Kattenvenne gebaut war. Mit viel Eigenleistung und Geschick haben die Kattenvenner Gemeindeglieder Grundsteine gelegt, auch an Vorschriften des Konsistoriums in Bielefeld vorbei. „Seit 2012 hat die katholische Nachbargemeinde Einzug in die Kirche gehalten“, berichtete Verena Westermann. „Wir nutzen sie Samstagsabends immer mit der katholischen Gemeinde zusammen“, so die Pfarrerin weiter. Seitdem steht auch eine Franziskusfigur neben dem Altarraum.

An diesem Abend stellten Kantor i. R. Christoph Henzelmann musikalisch und Orgelexperte Herbert Brügge im kurzweiligen Vortrag die Vielfalt der historischen Orgel vor. Super-intendent André Ost begrüßte die Gäste und führte durch den Abend.

Im Tecklenburger Land stehen gut 70 Orgeln, inclusive der Truhenorgeln. Das Besondere an der Orgel in Kattenvenne sei, dass sie zur originalen Ausstattung der Kirche gehöre, berichtete Herbert Brügge. Die 1892 von der Firma Rohlfing aus Osnabrück gebaute pneumatische Orgel ist bis heute in unverändertem Zustand. Sie sei eine der nur drei vollständig erhaltenen historischen Orgeln neben einer in Dreierwalde und einer in Ibbenbüren-Laggenbeck. Sie verfügt über neun Register im Manual und zwei im Pedal. Kleinere Reparaturen wurden immer mal wieder vorgenommen. 1916 haben die Mäuse der Orgel den Garaus gemacht: “Viele kleine Bälge usw. sind von Mäusen des Leders beraubt worden“, heißt es im Gemeindearchiv.1950 wurden eine elektrische Windmaschine und eine neue Balganlage eingebaut.  

Wie schnell sich Meinungen zu Orgel und Orgelklang ändern, stellte Herbert Brügge anschaulich dar: 1931 bescheinigte Studienrat Karl Seubel, der Orgelsachverständige im Konsistorium in Münster, der Gemeinde, dass die Orgel in schlechtem Zustand sei. Eine neue Orgel war im Gespräch. „Gut, dass dies in den Kriegswirren nicht geklappt hat“, meinte der Referent. 1980 ist der Orgelsachverständige des Landesdenkmalamts plötzlich ganz anderer Meinung. Obwohl der Organist der Gemeinde einen Neubau empfahl, sagte der Orgelsachverständige, sie funktioniere erstaunlich gut. Weiter heißt es dort:“ Das Instrument ist wegen der Seltenheit des gut funktionierenden Ladensystems, des völlig erhaltenen ursprünglichen Zustands und der Kongruenz zur Ausstattung des Kirchraums denkmalwert“.

Virtuos und einfühlsam präsentierte Kantor i.R. Christoph Henzelmann die vielfältigen Klangmöglichkeiten und Gestaltungsvarianten, die das Instrument bietet. Bei der Choralbearbeitung von „Schmücke dich, du liebe Seele“ von Johannes Brahms ermögliche die Orgel dem Organisten mit Hilfe der Pfeifen „Viola da Gamba“ und der Hohlflöte Stimmungen darzustellen. Die Zuhörer konnten im Spiel den etwas scharfen Ton der Gambe wahrnehmen. Ein Genuss für die Gäste waren auch das Präludium in H-Moll aus dem „Wohl-temperierten Klavier“ von J.S. Bach, die „Morgenstimmung“ aus Peer Gynt von Edvard Grieg sowie die 6. Sonate in D-Dur von Felix Mendelssohn Bartholdy sowie Eigenkompositionen des Kantors. Unterstützt wurde Christoph Henzelmann dabei von seiner Frau, Gabriele Henzelmann, die registrierte.

Informationen zur neuen Website der Stiftung für denkmalwerte Kirchen im Ev. Kirchenkreis Tecklenburg gab Jörg Birgoleit, Pressesprecher der Ledder Werkstätten. Er hat die Website mit interessanten Informationen und Fotos zur Arbeit der Stiftung neugestaltet. Hier finden sich unter anderem auch Zitate und Fotos von Menschen, die berichten, warum ihnen ihre Kirche vor Ort wichtig ist. Die aufgefrischte Internetauftritt ist seit Mai 2021 unter www.denkmalwert.ekvw.de online.

Marlies Beckemeyer, Vorstandsmitglied des Kuratoriums, informierte die Besucherinnen und Besucher über Einnahmen und Ausgaben der Stiftung und der elf Unterstiftungen: die Stiftung hat im Jahr 2020 Zustiftungen in Höhe von 3.921,17 € verzeichnen können. In diesem Zusammenhang dankte Marlies Beckemeyer allen Spendern und Zustiftern für ihre Unterstützung. Ins Stifterbuch trugen sich Marlies Fangmeier und Dr. Dr. Dietmar Balkau ein.

Der Kuratoriumsvorsitzende, Superintendent André Ost, wies darauf hin, dass die Stiftung im kommenden Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum feiern könne. Dies soll im September 2022 mit einem besonderen Festprogramm gefeiert werden.   

Bei einem kleinen Imbiss hatten die Gäste anschließend Gelegenheit, sich über das Gehörte auszutauschen. 

Johanneskirche draußen vor der Stadt - mitten im Leben - Stiftungsabend am 23. September 2020

Das Bild zeigt den neu konstituierten Vorstand und das Kuratorium der Stiftung zusammen mit dem Referenten Andreas Oehlke (6. v. l.) und den Gemeindepfarrern Dr. Dirk Schinkel (4. v. r.) und Andreas Groll (ganz rechts) vor der Johanneskirche. Foto: Christine Fernkorn

Rheine. „Seit 18 Jahren gibt es die Stiftung denkmalwerte Kirchen im Ev. Kirchenkreis Tecklenburg“, so Superintendent André Ost. Erstmals finde der Stiftungsabend in der Gemeinde Johannes zu Rheine statt. Kuratorium und Vorstand der Stiftung, die sich an diesem Tag neu konstituiert hätten, seien froh, dass es trotz der Corona-Situation möglich sei, den Stiftungsabend anbieten zu können. Im Jahr 2008 habe die Gemeinde das hundertjährige Jubiläum der Kirche gefeiert. Die Festschrift verfasste der Historiker Dr. Andreas Oehlke aus Rheine. „Er hat die Geschichte der Gemeinde intensiv mit dem damaligen Gemeindepfarrer Harald Klammann, recherchiert“, so Ost. Deswegen habe das Kuratorium ihn auch zum Vortrag am Stiftungsabend eingeladen.

„Die Johannesgemeinde in Rheine verdankt ihre Entstehung einer langwierigen Emanzipierung gegenüber der Mutterkirche „Jacobi“ und ist eine bewusste Antwort auf die Industrialisierung. Die soziale Frage habe den gesamten Stadtteil der Arbeitervorstadt betroffen, berichtet der Historiker Andreas Oehlke. Eine kleine evangelische Kerngemeinde von hundert Köpfen unter Leitung von Pfarrer August Ziegner gründete sich in Rheine 1938. Geistliches Zentrum ist damals noch die alte Bönekers-Kapelle. 1873 folgt mit der Jakobi-Kirche der erste eigene Kirchbau. Dies, so der Referent, sei der erste Höhepunkt der Gemeindeentwicklung der Evangelischen in Rheine gewesen.

„Einen wesentlichen Impuls erhielt das kleine Landstädtchen Rheine durch die Begründung der Textil- und Baumwollindustrie noch vor der Jahrhundertmitte. Mit der Eisenbahnlinie Münster-Emden (1856) und die Anbindung an die Fernlinien Salzbergen-Almelo (1865) wurde für die Region ein bedeutsamer Eisenbahnknotenpunkt ausgebildet“, informierte der Historiker. Tausende holländische Arbeitskräfte in Familienverbänden, aber auch aus Ostpreußen und Schlesien kamen nach Rheine. „Nach neuesten sozialpolitischen Erkenntnissen und durchaus engagiert, werden Modellsiedlungen für Arbeiter und ihre Familien in Nähe der Textilfabriken angelegt. „Mit dem Zuzug der neuen Gemeindeglieder erhöhten sich die Aufgaben in der Seelsorge, der pfarramtlichen Betreuung wie auch der Krankenpflege und Religionserziehung“. Die evangelische Gemeinde wächst auf 3500 Mitglieder an.

Ein Betsaal, aus Kostengründen ohne Turm, wurde ins Auge gefasst. Nach vielem Hin und Her kaufte die Gemeinde ein Grundstück an der Periphere der Stadt in Eschendorf. Kurz nach dem Baubeginn beschloss das Presbyterium, die Kirche mit einem Turm zu versehen. „Statt einer rein gotischen Kirche wurde der Kirchbau in seinen Bauformen deutlich vereinfacht. Der neue moderne Jugendstil bricht sich in Form der obersten Turmfenster in der Glockenstube mit der markanten, weitausgestellten Bogenform und den eingestellten mittleren Säulen Bahn“, so Oehlke.

1893 wird eine eigene Pfarrstelle in der Johannesgemeinde errichtet. „Dies war nicht immer konfliktfrei“, berichtet Andreas Oehlke. 1919 folgt ein multifunktionales Gemeindezentrum mit Diakoniestation, Versammlungssaal mit Bühne und Kleinkinderschule (Kindergarten). 1924 wurde die Gemeinde selbstständig. Die Johannesgemeinde erweist sich in der Zeit des Nationalsozialismus als „Hotspot“ gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Offen bieten sich Pfarrer Manz (Bekennende Kirche) sowie Pfarrer Friedrich Karlmeier im Schulterschluss mit dem Nationalsozialisten Walter Dodkott, dem Schulleiter der Luisen- und Ludwigschule, einen Disput.

Nach dem Krieg galt es, die Tausende von Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten zu integrieren. Gut 20 Jahre später sorgte die Bundeswehr mit ihrem Standort Gellendorf für einen erheblichen Zuwachs der Gemeinde.

„Die Johanneskirche ist eine einschiffige neugotische Backsteinkirche und wurde 1908 eingeweiht“, so Pfarrer Andreas Groll in seinen Ausführungen zu Beginn der Veranstaltung. Die Gotik zeige sich beispielsweise in den Spitzbogenfenstern, einem Radfenster über dem Eingang, Bogenfriesen an Schiff und Turm oder den Seitenwangen der Bänke. „Die Architektur dieser Kirche ist nicht einheitlich“, ergänzte Stiftungsvorstand Superintendent i. R. Hans Werner Schneider. Das Gebäude habe „etwas Eigenes“. Die Renovierungsarbeiten in den 1970er Jahren hätten dazu geführt, dass „Innen und Außen nicht mehr zusammenpassten“, berichtete Gemeindepfarrer Groll. Das Betonkreuz im Altarraum sei zum Beispiel so groß gewesen, dass es „fast erschlagend“ auf die Besucher wirkte. Es wurde 1983 entfernt. So sei alles, was den alten Eindruck ausmachte, optisch wieder angepasst worden“, sagte Andreas Groll. In den 1990er Jahren kamen nach der Außenrenovierung des Gebäudes ein Osterkerzenleuchter mit Reliefdarstellungen (Noah und Taube, Kreuzigung, Jordantaufe) sowie neben dem Chor ein großes Relief der Fußwaschung von Joseph Krautwald (Rheine) hinzu. Mit dem Neubau des Gemeindehauses an der Sternstraße erfüllte sich die Gemeinde im Jahr 2015 den langgehegten Wunsch, eine engere Verbindung von Kirche und Gemeinderäumen herzustellen. Fast kreuzgangartig umschließt das Gemeindehaus heute die Johanneskirche, die nach der jüngsten Innenrenovierung hell und freundlich wirkt.

Marlies Beckemeyer, Vorstandsmitglied der Stiftung, informierte die Besucher über Ein-nahmen und Ausgaben der Stiftung und der elf Unterstiftungen: Die Stiftung hat im Jahr 2019 eine Summe von 3.721,18 € aus Zustiftungen erzielt. „Im Vergleich zu 2018 hat die Stiftung 2019 10.000 € mehr an Bilanzsumme erwirtschaftet“, berichtete sie. Sie warb dafür, den Erhalt der historischen Kirche mit einer Spende oder Zustiftung zu unterstützen.

Text: Christine Fernkorn

Vom Wartesaal zur eigenen Kirche in Hörstel - Stiftungsabend zur Geschichte der Friedenskirche am 9. Oktober 2019

Gestalteten gemeinsam den Stiftungsabend (v. l. n. r.): Hans Werner Schneider, Marlies Beckemeyer, Martin Pfuhl, Dr. Klaus Offenberg, André Ost und Kay-Uwe Kopton. Foto: Christine Fernkorn

Hörstel. „Die Friedenskirche in Hörstel hat auf dem Harkenberg eine Besonderheit in der Lage. Sie wurde im Jahr 1901 für eine größer werdende Gemeinde gebaut“, berichtete Superintendent André Ost zur Eröffnung des Stiftungsabends. Erst seit 1993 trage sie den Namen „Friedenskirche“. „Frieden und Versöhnung sind für unseren Glauben zentrale Begriffe“, unterstrich der Superintendent, gerade vor dem aktuellen Hintergrund des Anschlags auf die jüdische Synagoge in Halle am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Im Gedenken an die zwei Getöteten und zwei Schwerverletzten las die Gemeinde gemeinsam die Friedenslitanei von Coventry. Der Chor der Evangelischen Gemeinde Hörstel unter Leitung von Olga Neugum gestaltete die Andacht einfühlsam mit Friedensliedern.

Gemeindepfarrer Martin Pfuhl berichtete aus der Geschichte der Hörsteler Kirche: 1898 kauft die Kirchengemeinde Ibbenbüren das Grundstück. Am 7. April 1901 wurde die evangelische Kirche auf dem Harkenberg eingeweiht. 1902 wird die Alte Schule (damals als Ev. Schule, heute das Gemeindehaus) gebaut. Im gleichen Jahr wird auch der Ev. Friedhof eingeweiht. 1904 beginnt dann der Bau des Pfarrhauses. Architekt des Gesamtensembles war Karl Siebold, Baurat und späterer Leiter des Provinzialkirchlichen Bauamts in Bielefeld-Bethel. Für die Innenraumgestaltung zeichnete sein Mitarbeiter Joseph Campani verantwortlich. In der Zeit des Historismus, die vergangene Epochen aufnahm, gestaltete Siebold die Kirche mit Rundbogenfenstern, Altar, Apsis, Kanzel und Taufstein.

„Die Gemeindeglieder verstanden ihre Kirche als Burg im Sinne des Chorals „Ein´ feste Burg ist unser Gott“, so Martin Pfuhl. 1968-70 wurde die Kirche erweitert, neoromanische Elemente wie die Zinnen wurden zurückgebaut. „Wer sind wir inhaltlich?“, habe sich das Presbyterium 2015 gefragt. Gemeinsam mit dem Amt für Missionarische Dienste machte sich die Gemeinde dann auf den Weg und entwickelte eine Konzeption. „Einladend – engagiert – evangelisch“, dieses Motto sei seitdem wegweisend für die Gemeinde. Zwischen 2016 und 2018 seien die Wege zur Kirche barrieferei gestaltet worden. „Jetzt, so freute sich der Pfarrer, „haben auch Familien mit Kinderwagen und Senioren mit Rollatoren oder Rollstühlen freien Zugang zu unserer Kirche“.

Launig und anschaulich blätterte Oberforstrat i.R. Dr. Klaus Offenberg die Geschichte der Kirche auf. Er forscht ehrenamtlich zur Heimat- und Ortsgeschichte Hörstels. „Eine bessere Wahl für ein Grundstück der Kirche als das auf dem Harkenberg hätten die Protestanten damals nicht treffen können“, betonte er. „Aber warum steht der Altar nicht im Osten und der Turm nicht im Westen?“, fragte er die interessierten Zuhörer. Martin Pfuhl hat da so eine Idee: Vom Hügel aus schaut man direkt zum neuen Bahnhof Hörstel. Dahinter lag das Dorf. Und mit der Fensterrosette blickt der segnende Christus direkt nach Hörstel. Pfuhls Theorie: Der Baumeister hat dieses Bild absichtlich Richtung katholische Kirche Hörstel geplant, sozusagen als Kontrapunkt.

Abenteuerlich gestaltete sich auch die Situation um das Lagerbuch der Ev. Kirche Hörstel von 1911, ein handschriftliches Verzeichnis, in dem alle Besitztümer wie Kirchengebäude oder Forsthäuser aufgeführt werden. „Das Buch“, so Dr. Offenberg“, war 40 Jahre verschwunden. Eines Tages habe ihn Wilhelm Elling, der ehemalige Leiter des Hamaland-Museums Vreden, angerufen. Er erzählte, dass das Buch auf dem Flohmarkt in Aalten/Niederlande angeboten worden sei. Das Ehepaar Pfuhl machte sich auf den Weg und kaufte das Buch für 200 € zurück. „Gut, dass wir das Buch wieder haben“, freut er sich. „Wir wollen einiges wieder so herrichten, wie es Architekt Karl Siebold einst geplant hat.“ Das Rosettenfenster mit dem Christusbild wurde inzwischen restauriert. Zum Advent wird es von innen angestrahlt.

Mit der Eröffnung der ersten Eisenbahnstrecke von Osnabrück nach Rheine im Jahr 1856 vermehrte sich die Anzahl der evangelischen Christen in Hörstel. 1891 wurde in der Nähe des Bahnhofs eine Glashütte erbaut. Hier arbeiteten viele evangelische Glasbläser, deren Kinder Konfirmandenunterricht benötigten. „Damals befand sich die nächste evangelische Kirche in Ibbenbüren“, berichtete Dr. Klaus Offenberg. Superintendent Trockels beauftragte den Kreisvikar Schmiesing deswegen, neun Wochen lang je einmal wöchentlich zu diesem Zweck nach Hörstel zu kommen. „Das lief bis Januar 1892 so, bis die Glashütte Konkurs anmeldete“, so der Referent. Das Bedürfnis nach einer eigenen evangelischen Schule entstand. Da noch immer kein Kirchengebäude für den Konfirmandenunterricht zur Verfügung stand, erteilte das königliche Konsistorium die Genehmigung, die Kinder im Wartesaal III. und IV. Klasse des Bahnhofsgebäudes zu unterrichten. Das gesamte Ensemble aus Kirche, Schule und Pfarrhaus entstand dann in kurzer Zeit zwischen 1901 und 1904.

„Menschen sind das Wichtigste in der Kirche“, unterstrich Hans Werner Schneider, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Denkmalwerte Kirchen im Kirchenkreis Tecklenburg, in seiner Ansprache. Die Kirche verstehe er als das Haus der lebendigen Steine. Von ihr und der christlichen Botschaft gingen Friedensimpulse für das Leben und die Gesellschaft aus. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass es im Kirchenkreis 21 denkmalwerte Kirchen gibt, die mit der Unterstützung der Stiftung erhalten werden könnten. Marlies Beckemeyer, Mitglied des Vorstands der Stiftung, freute sich über die gute Beteiligung am Stiftungsabend. Sie stellte das Ergebnis des Rechnungsjahrs 2018 der Stiftung vor. Sie lud alle dazu ein, nachhaltig für die Erhaltung historischer Kirchen zu spenden oder zu stiften.

Text: Christine Fernkorn

„Damit die Kirche im Dorf bleibt - Wandel und Perspektiven gestalten“ - Stifungsabend am 25. September 2018 in Lienen

Trafen sich vor dem Stiftungsabend in der Evangelischen Kirche in Lienen zum Fototermin (1. Reihe v.l.n.r.): Pfarrer Kai-Uwe Kopton, Marlies Beckemeyer (beide Stiftungsvorstand), Referent Reinhard Miermeister, Superintendent André Ost. 2. Reihe v.l.n.r.: Hans Werner Schneider (Vorstandsvorsitzender der Stiftung) und Reinhard Schmitte.

"Sieben Tage die Woche vermitteln wir den Menschen, wie wir uns als Kirche verstehen“, so Reinhard Miermeister, Landeskirchenbaudirektor i. R., in seinem Vortrag zum Thema „Damit die Kirche im Dorf bleibt – Wandel und Perspektiven gestalten“ am Stiftungsabend in der Ev. Kirche in Lienen. Vierzig Personen waren an diesem Abend in die historische Kirche gekommen, um bei Zwiebelkuchen und Federweißer über aktuelle Entwicklungen der Stiftung „Denkmalwerte Kirchen im Kirchenkreis Tecklenburg“ informiert zu werden und sich auszutauschen. „Kirchen haben eine Bedeutung für uns alle, egal, ob wir Christen sind oder nicht“, betonte der Referent. Es scheine einen gesellschaftlichen Konsens darüber zu geben, dass es unter sich verändernden Rahmenbedingungen weiterhin Orte der Begegnung und Gemeinschaft geben müsse. „Der Einbau des Gemeinderaums in der Ev. Kirche in Lienen ist ein gelungenes Beispiel dafür“, meinte er. Gute Vorrausetzungen für diese erfolgreiche Umsetzung seien das engagierte Pfarrerehepaar Bethlehem und die aufgeschlossene Kirchengemeinde in Lienen gewesen. Der Gemeinderaum nehme optisch Bezug auf den Kirchraum und sei vom Kirchenarchitekten Bernhard Hirche (Hamburg) gut durchdacht worden.

In der Evangelischen Kirche von Westfalen seien fast die Hälfte aller Kirchen nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut worden, so Reinhard Miermeister. Heute sind viele von ihnen zu groß, doch sich elegant von ihnen zu verabschieden, sei schwierig. Stehe eine bauliche Änderung einer Kirche oder eines Gemeindehauses an, sollten die Beteiligten im Vorfeld den notwendigen Bedarf, die Finanzierung, die Machbarkeit und die Frage, ob ein Umbau oder Anbau zielführend sei, klären. „Ich empfehle flankierende Öffentlichkeitsarbeit und die Teilnahme an Architektenwettbewerben“, so der Experte. Dabei sei auch die Frage, ob es um eine Neugestaltung der Kirche oder einen Umbau gehe, zu klären. An spannenden Beispielen aus seinem Alltag als Architekt im Landeskirchenamt veranschaulichte er Möglichkeiten der Nutzungsvielfalt von Kirchengebäuden. So sei eine Kirche in Gelsenkirchen-Hassel zu einem Begegnungszentrum umgebaut worden, in Gelsenkirchen-Buer seien Wohnungen (Sozialer Wohnungsbau) in eine Kirche eingebaut worden, in Bottrop wurden diakonische Einrichtungen ins Umbaukonzept miteinbezogen. Auch eine Kirche, die gezielt zur Jugendkirche umgebaut wurde, stellte er vor. Ein besonderes Konzept finde sich in der Paulikirche in Soest: Hier sind ein Gottesdienstraum und ein Kolumbarium im Kirchraum vereint. Eine Künstlerin hat mit Glaswänden, die sich „Lebenswege“ nennen, beide Bereiche optisch unterteilt. Die Gestaltung solle die Gemeinschaft der Lebenden mit den Toten verbinden.  

Superintendent André Ost (Kirchenkreis Tecklenburg) zog das Fazit: „Es ist eine große Herausforderung, denkmalwerte Kirchen in ihrer Nutzung zu erhalten. Reinhard Miermeister hat uns dazu eindrucksvolle Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt“.

Der Superintendent begrüßte Reinhard Schmitte, den Verwalter des Ev. Friedhofs, der als „Urgestein“ der Gemeinde auch als Nachtwächter in Lienen unterwegs ist. Er brachte den Anwesenden mit einigen Anekdoten aus der Gemeindegeschichte den Kirchraum nahe. „Die Kirche ist ein lebendiger Organismus“, so Reinhard Schmitte. Tränen, Fröhlichkeit, Krankheit, die Kirche habe schon viel Menschliches erlebt. „Früher ging man in die Kirche, um anzubändeln. Heute braucht man den Gottesdienstbesuch zu diesem Zweck nicht mehr“, meinte er schmunzelnd.

Die Stiftung „Denkmalwerte Kirchen im Kirchenkreis Tecklenburg trägt zur Unterhaltung der Kirchen im Blick auf die Zukunft bei, so Stiftungsvorstand Superintendent i. R. Hans Werner Schneider. Ihr Ziel sei es, das historische Gedächtnis zu fördern. Pfarrer Dr. Wilhelm Wilkens, der ehemalige Superintendent des Kirchenkreises Tecklenburg und langjährige Gemeindepfarrer in Lienen, habe sich für die Gründung dieser Stiftung stark gemacht. Wilhelm Wilkens war im März 2018 verstorben. Die Gäste des Stiftungsabends erinnerten sich an in einer Gedenkminute.

„Ein großer Teil der Zuwendungen, die die Stiftung im Rechnungsjahr 2017 erhalten hat, kommen aus der kreiskirchlichen Kollekte“, berichtete Marlies Beckemeyer, Mitglied im Stiftungsvorstand. Im Kirchenkreis gebe es 21 denkmalwerte Kirchen, deren Erhalt durch die Stiftung ermöglicht werden sollte. Im Jahr 2017 habe die Summe der Zustiftungen 5.338,89 € betragen. Das Kuratorium hoffe auf weitere Unterstiftungen, um die Kirchen in eine gute Zukunft zu führen.

„Wir freuen uns, dass der Stiftungsabend in der Ev. Kirchengemeinde Lienen stattfindet“, betonte Presbyter Dr. Edgar Klinger. Die Gemeinde sei froh, dass es die Stiftung gebe, denn alleine seien Umbauprojekte für Kirchengemeinden nicht zu stemmen. Am Stiftungsabend hatten die Zustifter die Möglichkeit, sich ins Stifterbuch einzutragen.

 

Text und Foto: Christine Fernkorn